Aussetzung der Zinsen nach §§ 233a, 238 AO bei der Gewerbesteuer

Aussetzung der Zinsen nach §§ 233a, 238 AO bei der Gewerbesteuer

Solange das Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvR 2237/14,1 und 1 BVR 2422/17) über die Höhe der Zinsen (6 % jährlich) nach §§ 233a, 238 AO nicht entschieden hat, bleibt die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhen der Zinsen nach §§ 233a, 238 AO ein aktuelles Thema.

Hinzuweisen ist, dass es die Vorschriften nach §§ 233a, 238 AO mit der Höhe von 6 % bereits seit mehr als 40 Jahren gibt und der Fiskus damit zusätzliche Steuereinnahmequellen generiert. Das Argument der Finanzverwaltung, dass es umgekehrt auch zur Steuererstattung kommt, ist zu kurz gegriffen und nicht nachvollziehbar, weil es zu mehr als 90 % der Fälle die Steuernachforderungen (oft Folge der Betriebsprüfungen) der Finanzverwaltung und damit zusammenhängende Zinsen betrifft.

Auch die politische Diskussion, die Höhe nach unten herabzusetzen, stößt auf politischen Widerstand. So wurde z.B. der Vorschlag der FDP-Fraktion im Bundestag, die Höhe von 6 % auf 3 % herabzusetzen, im Bundestag abgeschmettert.

Während es bei der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer mittlerweile Einigkeit besteht, dass die Zinsen ab dem 01.04.2012 auf Antrag der Steuerpflichtigen auch unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens (14.12.2018 – IV A 3, BStBl 2018. I S.1393) bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt werden, ist diese Frage bei der Gewerbesteuer ungeklärt, weil das o.g. BMF-Schreiben nur gegen die Behörden der Finanzverwaltung rechtliche Wirkung entfaltet und nicht gegenüber den Gemeinden.

Es ist noch auf die Aussetzungszinsen nach § 237 AO hinzuweisen, falls das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Zinsen nach §§ 233a, 238 AO für verfassungsgemäß erklärt. Dann sind noch zusätzlich die Aussetzungszinsen für den ausgesetzten Zinsenbetrag zu entrichten.

Deswegen müssen sich die Verwaltungsgerichte mit den Vorschriften aus der Abgabenordnung (AO) beschäftigen. Abgesehen davon, dass die Verwaltungsgerichte nach wie vor unter Klagen im Asylverfahrensrecht und gegen die Corona-Verordnungen der Bundesländer ächzen, müssen sie sich noch mit den ihnen zum Teil fremden abgabenrechtlichen Vorschriften auseinandersetzen.

Die Folge ist, dass die Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO über Monate dauern und dadurch quasi in die Hauptsacheverfahren übergehen.

So hat das Verwaltungsrecht Karlsruhe (VG Karlsruhe v. 22.10.2020 – 14 K 2621/20) durch einen rechtskräftigen Beschluss entschieden, dass die Zinsen ab dem Jahr 2017 auszusetzen seien. Der Beschluss betraf eine Gemeinde in Nordbaden, gegen die ein Unternehmer vorging. Unsere Kanzlei hat den Unternehmer gerichtlich vertreten.

Es ist keine einheitliche Tendenz zu sehen, wie die Verwaltungsgerichte in solchen Fällen zu entscheiden haben. Die BFH-Rspr. findet keine unmittelbare Anwendung, was damit zu begründen ist, dass die Verwaltungsgerichtbarkeit und die Finanzgerichtbarkeit zwei verschiedene Gerichtsbarkeiten sind. Und es gibt keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dazu.

So sehen manche Verwaltungsgerichte wie das OVG Nordrhein-Westfahlen bis April 2018 (Beschluss vom 25.2.2019 – 14 B 1759/18) keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Zinshöhe.

Andere Verwaltungsrechte wie das VG Saarland, Beschluss vom 07.08.2020 – 3 L 728/20: VG Gera Beschluss vom 06.06.2019 – 5 E 785/19; VG Göttingen, Beschluss vom 18.04.2019 – 2 B 487/18 und VG Hannover, Beschluss vom 14.09.2018 – 7 B 1139/19 sehen bereits grds. ab dem Jahr 2016 – und dazu gehört auch das VG Karlsruhe – verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe und setzen die Vollziehung der Zinsen aus.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung angesichts des starken Einbruchs der Steuereinnahmen bei der Finanzverwaltung und den Gemeinden nicht finanzpolitisch beeinflussen lässt und zu Lasten der Steuerpflichtigen entscheidet.

Dazu ist anzumerken, dass im Jahr 2009 das Bundesverfassungsgericht durch den Nichtannahmebeschluss die Verfassungsbeschwerde wegen der Verzinsungsregelung nach §§ 233a, 238 AO abgewiesen hat.

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Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe und Baden-Baden

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