Untätigkeitsklage: wenn Finanzamt trotz Einlegung des Einspruchs nach Ablauf angemessener Frist schweigt, was ist zu tun? […] »
Urteil des Finanzgerichts München vom 06.08.2024 – 12 K 254/18 zu den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage:
- Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, eine Klage beim FG regelmäßig nur nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens über jenen Rechtsbehelf zulässig.
- Ist aber über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist – im Regelfall 6 Monate – sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine solche „Untätigkeitsklage“ hat die Klägerin im Streitfall erhoben.
- 46 Abs. 1 Satz 1 FGO verlangt die Mitteilung eines zureichenden Grundes für das Ausbleiben der Rechtsbehelfsentscheidung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist vor der Klageerhebung (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz.16).
- Eine besondere Form ist für die Mitteilung des Grundes für die Verzögerung in § 46 Abs. 1 FGO nicht vorgeschrieben. Sie muss deshalb nicht notwendig schriftlich erfolgen.
- Ein zureichender Grund kann in der Durchführung einer regulären Außenprüfung oder Steuerfahndungsprüfung liegen, wenn umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig sind, die sich sachgerecht nicht an Amtsstelle durchführen lassen, und die Prüfung zeitnah angesetzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 9. April 1968 I B 48/67, BFHE 92, 170, BStBl II 1968, 471).
- Die angeführten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 FGO brauchen dabei erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt zu sein.
- Die Klage kann also in die Zulässigkeit hineinwachsen (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BFH-Urteile vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 245, BStBl II 1982, 150; vom 28. September 1990 VI R 98/89, BFHE 162, 414, BStBl II 1991, 363; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315).
- Liegt zunächst ein zureichender Grund vor, muss die Behörde sicherstellen, dass sie vom Wegfall dieses Grundes erfährt, damit sie innerhalb angemessener Frist entscheiden kann.
- Im Übrigen muss sie das in ihrer Macht Stehende tun, den Grund zu beseitigen. Sie muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dazu beitragen, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 13. Mai 1971 V B 61/70, BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492).
- Fällt der zureichende Grund weg, beginnt nicht etwa die Sechsmonatsfrist von Neuem zu laufen (BFH-Beschluss vom 22. September 1967 VI B 19/67, BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61), sondern es verbleibt der Behörde nur noch eine vom Einzelfall abhängige angemessene Frist, innerhalb welcher zu entscheiden ist (so auch von Beckerath in Gosch, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 140; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 167; Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 46 Rz. 20; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 18).
Zu beachten ist, dass das o.g. Urteil nicht rechtskräftig ist, da beim BFH (Az.: IR 19/24) das Verfahren anhängig ist, weil Revision eingelegt wurde.
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