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Steuerliche Behandlung Wegziehender mit deutscher Staatsangehörigkeit (Deutschland- Schweiz)

Nachgelagertes Besteuerungsrecht ist trotz fehlenden inländischen Anknüpfungspunkts verfassungsgemäß:

Als Inländer gelten nach § 2Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.

Für sie gilt unbeschränkte Steuerpflicht, weil sie Inländer sind.

Es tritt die Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist.

Anmerkung: Im Fall der DBA zwischen Deutschland und den USA auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungssteuern sind es 10 Jahre.

Exkurs: Das DBA (Deutschland-Schweiz) auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern kommt bei Schenkungen unter Lebenden nicht zur Anwendung.

In Anlehnung an das OECD-MA-ErbSt 1966 enthält das DBA-Schweiz keine Regelungen für Schenkungen unter Lebenden.

Die für Nachlass- und Erbschaftsteuern geltenden Abkommensregelungen sind dafür auf diejenigen Schenkungssteuern anzuwenden, die aus Schenkungen von Geschäftsbetrieben unter Lebenden resultieren.

Exkurs: Erbschafts- und Schenkungssteuer in der Schweiz: Die Steuerhoheit für Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer stehen Kantonen und zum Teil Gemeinden (z.B. Kanton Graubünden) in der Schweiz zu.

Manche Kantone wie Obwalden und Schwyz erheben überhaupt keine Erbschafts- und Schenkungsteuer – dies ist in Deutschland aus fiskalischer und wohl aus gesetzgeberischer Sicht nicht einmal ansatzweise vorstellbar -.

Kanton Luzern erhebt z.B. nur eine Erbschaftsteuer, aber keine Schenkungsteuer.

Die Erbschafts- und Schenkungsteuer ist in der Schweiz nicht harmonisiert.

Die Ausgestaltung im Einzelnen ist sehr unterschiedlich.

Sachverhalt: Der Kläger (Sohn) und seine Mutter – jeweils deutsche Staatsangehörige – verlegten ihren jeweiligen alleinigen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz.

Der Kläger erhielt von der Mutter, die später starb, ein Grundstück im Wege einer Schenkung in der Schweiz übertragen.

Nach Abzug des Freibetrages und Anrechnungsbetrages für die Vorerwerbe setzte das in Deutschland zuständige Finanzamt Schenkungsteuer in einem sechsstelligen Eurobetrag gegen den Sohn durch einen Bescheid fest.

Weder eine Anrechnung schweizerischer Vermögenssteuer nach § 21 ErbStG noch die Vermeidung der Steuerbelastung durch das DBA Deutschland-Schweiz kamen im Streitfall in Betracht.

Da beide die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und ihre jeweiligen Wohnsitze im Inland (Deutschland) erst kurz zuvor aufgegeben hatten, unterfielen sie der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG, ist die Auffassung des Finanzamtes.

Der Sohn als Kläger ging bis zum Bundesverfassungsgericht, da er zuvor beim Finanzgericht München, Urteil v. 03.07.2019 – 4 K 1286/18 und dem BFH (Bundesfinanzhof), Urteil vom 12.10.2022 (II R 5/20) über das Nichtzulassungsrevisionsverfahren unterlag.

BFH sah auch keine Notwendigkeit, die Streitsache dem EuGH vorzulegen.

Die Verfassungsbeschwerde gegen die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht wurde durch den Beschluss des BVerfG (Bundesverfassungsgerichts) abgelehnt, und zwar durch den Nichtannahmebeschluss (d.h. die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 21.02.2025, 1 BvR 325/23)

Damit ist der Rechtsweg endgültig ausgeschöpft.

Fazit: Nachgelagertes Besteuerungsrecht ist trotz fehlenden inländischen Anknüpfungspunkts verfassungsgemäß.

Einige Anmerkungen zum Urteil:

Die Doppelbesteuerung kann in manchen Fällen zumindest teilweise durch § 21 ErbStG oder durch ein bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen für Erbsteuer-Zwecke vermieden werden.

Der Zweck des § § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG ist es nämlich, Umgehungen der Erbschaft- und Schenkungssteuerpflicht durch einen nur vorübergehenden Wegzug ins Ausland zu verhindern.

Schließlich kann die erweiterte Steuerpflicht nach § § § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG durch – die im Einzelnen sicherlich einschneidende – Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit (durch den Schenker und/oder den Erwerber) vermieden werden.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 23.2.2006 – Rs. C-513/03 hinsichtlich der niederländischen zehnjährigen erweitert unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht entschieden, dass diese nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße und daher nicht europarechtswidrig sei.

In seiner Entscheidung vom 12.2.2009-Rs.C-67/08 hat der EuGH sodann entschieden, dass auch eine Doppelbesteuerung innerhalb der EU nicht zwingend vermieden werden müsse.

Somit kann wohl auch die deutsche erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht als unionsrechtskonform angesehen werden.

Ergebnis: Die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG, wonach deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, als Inländer gelten (sog. erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht), ist weder verfassungs- noch europarechtswidrig.

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