Keine strafbare Steuerhinterziehung bei Ausfuhr der Waren in ein Drittland […] »

Keine strafbare Steuerhinterziehung bei Ausfuhr der Waren in ein Drittland:

Die Klägerin lieferte Kraftfahrzeuge aus dem Inland (Deutschland) in die Türkei an dort ansässige Abnehmer.

Das in Deutschland zuständige Finanzamt versagte die Umsatzsteuerfreiheit nach § 6 UStG unter Bezugnahme auf die Missbrauchsrechtsprechung des EuGH, da sich die Klägerin aktiv an einem Betrugsmodell beteiligt hat.

Sie hat die Begehung von Steuerverkürzungen im Empfangsstaat durch die Erteilung unterfakturierter Zweitrechnungen, die das Entgelt im Vergleich zu den zutreffenden Erstrechnungen nicht vollständig ausgewiesen hatten, ermöglicht.

In der Türkei sind mit diesen Rechnungen die Sonderverbrauchsteuer ÖTV (Özel Tüketim Vergisi) und die Umsatzsteuer KDV (Katma Deger Vergisi) bei der Einfuhr hinterzogen worden.

Der V. Senat des BFH hat in zwei Grundsatz-Entscheidungen entschieden, dass die im Rahmen der Ausfuhr in ein Drittland (hier die Türkei) erfolgende Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer dieses Drittstaates keine nach deutschem Recht strafbare Steuerhinterziehung sei. Dies führe auch nicht zur Versagung der Steuerbefreiung.

Die Leitsätze aus 2 den BFH-Urteilen (BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19, BStBl. II 2020, 608 und BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19):

  1. Die Anwendung der Missbrauchsrechtsprechung des EuGH bei Ausfuhrlieferungen ist nicht anwendbar.
  2. Die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt voraus, dass diese Lieferung korrespondierend beim Erwerber die Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung begründet.
  3. Demgegenüber besteht bei Ausfuhrlieferungen keine aus dem Tatbestand der Steuerfreiheit ableitbare Korrespondenz zwischen der Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung und der Besteuerung im Drittstaat.
  4. Aus der Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer in einem Drittstaat folgt kein Nachteil für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
  5. Das Ausstellen einer unterfakturierten Zweitrechnung führt nicht dazu, die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung aufgrund einer vom Abnehmer zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begangenen Steuerhinterziehung zu versagen.
  6. Durch das Bestehen einer Zollunion mit der Türkei wird die Türkei nicht zum Teil des Binnenmarkts.
  7. In einer Zollunion besteht keine Grundlage dafür, zollrechtliche Verstöße zwingend mit steuerrechtlichen Sanktionen bewehren zu müssen.

Hier geht es zum Urteil des BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 24/19 und

Hier geht es zum Urteil des BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19

Kontaktperson: Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, insbesondere Delikte in Zusammenhang mit Steuerhinterziehungen: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe/Ettlingen

Kontakt-E-Mail: kw@weberlaw.de