Kleidung und Accessoires sind keine Betriebsausgaben für (Fashion-)Influencer […] ˃

Aufwendungen einer Mode-Influencerin/Mode-Bloggerin für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sind – unabhängig vom betrieblichen Nutzungsumfang – nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Die Kläger (Kläger und Klägerin) und das zuständige Finanzamt streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für Kleidungsstücke und Accessoires als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin ist als Influencerin und Bloggerin tätig. Hierzu nutzt sie verschiedene Social-Media-Plattformen sowie die Internetseiten „a.com“ und „www.b.com“.

Die Klägerin erklärte die aus ihrer Tätigkeit als Influencerin und Bloggerin resultierenden Einkünfte als eigene Einkünfte aus Gewerbebetrieb als „Webdesignerin“.

Die Kläger ermittelten die jeweiligen Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmenüberschussrechnung.

Die Kläger beantragten, jährlich 40 % der privat getragenen und bisher steuerlich nicht erfassten Kosten für Kleidung, Kosmetik sowie sonstige Produkte, die für die Beiträge auf dem Blog der Klägerin angeschafft wurden, als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Dem folgte das FA unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG und die fehlende eindeutige und einwandfreie Trennungsmöglichkeit dieser Aufwendungen zwischen betrieblicher und privater Sphäre nicht.

Das FG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2023 – 3 K 11195/21, verneinte einen Betriebsausgabenabzug für eine gewerbliche tätige Influencerin.

Allgemeine Rechtliche Einordnung:

Die Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb des Steuerpflichtigen veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Dezember 2002 – VI R 137/01, BStBl. II 2003, 407 und vom 19. Januar 2017 – VI R 37/15, BStBl. II 2017, 526, Rn. 12, m.w.N.).

Ergibt die Prüfung, dass Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie grundsätzlich als Betriebsausgaben abzuziehen.

Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf betrieblichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht kommen, sofern der den Betrieb oder Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen betrieblich bzw. beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen (§ 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 200 –  GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Greifen berufliche und private Veranlassungsbeiträge dagegen so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so dass ein Abzug insgesamt nicht in Betracht kommt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Die Feststellungslast liegt beim Steuerpflichtigen.

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs entzogen.

Ein – ggf. auch nur teilweiser – Abzug als Erwerbsaufwendungen scheidet daher aus (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Dies gilt auch bei einer gewissen Erwerbsnähe (FG Köln, Urteil vom 22. September 2021 – 12 K 1016/19, juris).

Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen.

Derartige Aufwendungen sind aber grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden.

Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus (vgl. auch BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Dem entspricht im Ergebnis die bisherige Rechtsprechung, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als nicht abziehbar beurteilt hat, da es sich um Kosten der Lebensführung handelt; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen (BFH, Beschluss vom 13. November 2013 – VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335, Rz 6, m.w.N.).

Als Ausnahme zu diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG erläuternd zur Arbeitsmittelregelung festgelegt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung Werbungskosten sind.

Hier tritt der berufliche Bezug derart in den Vordergrund, dass der Bezug zur allgemeinen Lebensführung nach dem Willen des Gesetzgebers für die Einkommensbesteuerung vernachlässigt werden kann (BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Arbeitsmittel in diesem Sinne sind alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (BFH, Urteil vom 23. Oktober 1992 – VI R 31/92, BStBl. II 1993, 193).

Die zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG entwickelten Grundsätze sind entsprechend für die Frage des Betriebsausgabenabzuges nach § 4 Abs. 4 EStG heranzuziehen (vgl. so u.a. BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Ein Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) kommt auch hier jedoch nur in Betracht, wenn sich der berufsbezogene Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970  – GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17).

Eine derartige Abgrenzung ist in aller Regel bei Bekleidungsaufwand nicht möglich und kann selbst bei der sog. typischen Berufskleidung nicht immer angenommen werden; denn wer Berufskleidung trägt, trägt sie in vielen Fällen vorrangig deshalb, um – wie andere Menschen auch – bekleidet zu sein (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 22. September 2021 12 K 1016/19, juris).

Welche Art von Kleidungsstücken danach unter den Tatbestand der „typischen Berufskleidung“ i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG fallen, ist im Gesetz nicht näher definiert.

Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „typische Berufskleidung“ ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672, unter C.III.4.a)

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung grundsätzlich den nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung zuzurechnen sind, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung abziehbar sind (vgl. auch BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Typische Berufskleidung, die steuerlich berücksichtigt werden kann, umfasst daher nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion – wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o.Ä. – folgt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 19. Januar 1996 – VI R 73/94, BStBl. II 1996, 202).

Liegt jedoch die Benutzung als normale bürgerliche Kleidung – objektiv – im Rahmen des Möglichen und Ãœblichen, so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebenso wenig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar wie die Aufwendungen für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 20. März 1992 -VI R 55/89, BStBl. II 1993, 192).

Hierbei ist zu beachten, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung selbst dann nicht zum Betriebsausgabenabzug führen, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird (z.B. BFH, Urteil vom 20. November 1979 – VI R 25/78, BStBl. II 1980, 75).

Rechtliche Einordnung des FG Niedersachsen

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Die Kleidung der Klägerin stellt keine typische Berufskleidung dar.

Ganz überwiegend handelte es sich bei der Kleidung und Accessoires der Klägerin um Produkte von namhafteren Modemarken (z.B. Chanel, Louis Vuitton, Gucci).

Dass den erworbenen Kleidungsstücken und Gegenständen eine Besonderheit oder Einzigartigkeit dergestalt innewohnen würde, dass sie als typische Berufsbekleidung im Sinne der Rechtsprechung des BFH eingeordnet werden könnten, ist nicht ersichtlich.

Weder sind die betreffenden Modemarken auf den Vertrieb besonderer Berufskleidung spezialisiert, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die hier zu beurteilenden Gegenstände und Kleidungsstücke Unikate wären, die vom übrigen Sortiment herausgehoben eine außerordentliche, der bürgerlichen Kleidung nicht mehr zugängliche Position im Luxusbereich einnehmen könnten.

Letztlich liegt die Benutzung sämtlicher von den Klägern angeschaffter Kleidungsstücke und Mode-Accessoires als normale bürgerliche Kleidung bzw. Ergänzung derselben – objektiv – im Rahmen des Möglichen und Ãœblichen, weshalb bereits hiernach – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Gegenstände durch die Klägerin – eine Einordnung als typische Berufskleidung ausgeschlossen ist (ebenso BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

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