Haftung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers für Steuerschulden nach § 71 AO […]

Der BFH hat in seiner aktuellen Entscheidung, Beschluss vom 28.02.2023 – VII R 29/18, grundlegend zum Haftungsbescheid nach § 71 AO gegen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten einer GmbH Stellung genommen.

Dabei hat er ausgeführt, dass es für die Beurteilung des Vorliegens der Beihilfe zur Haupttat unerheblich sei, ob ein gegen den Haftungsschuldner eingeleitetes Steuerstrafverfahren nach § 170 Abs.2 StPO zuvor eingestellt worden sei. Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang das Urteil der Vorinstanz des FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2018 – 9 K 9306/12, EFG 2018, 1765.

Voraussetzung für eine auf § 71 AO gestützte Haftungsinanspruchnahme des Teilnehmers an einer Steuerstraftat ist die Feststellung, dass eine vorsätzliche Steuerhinterziehung des Haupttäters vorliegt, die tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden ist. Das Delikt muss vollendet sein. Ein bloßer Versuch begründet mangels eines Haftungsschadens keine Haftung nach § 71 AO.

Die Einstellung der eingeleiteten Steuerstrafverfahren nach § 170 Abs.2 StPO bzw. nach § 153a StPO oder die wirksam erstattete Selbstanzeige nach § 371 AO in der Zeit vor dem Erlass des Haftungsbescheides nach § 71 AO führen nicht dazu, dass der Haftungsschuldner nicht in Anspruch genommen wird.

Dabei haben die Finanzbehörden und die Finanzgerichte eigenen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum in Bezug auf die Begehung der Steuerhinterziehung, so dass sie einerseits die Feststellungen des Strafgerichts im Fall der Verurteilung zu eigen machen und anderseits aufgrund eigener Feststellungen zur vollen Überzeugung einer Steuerhinterziehung im Fall des Freispruches gelangen können.

Die Finanzbehörden können sich insoweit auch auf die Ermittlungsergebnisse einer anderen Finanzbehörde (zum Beispiel der Steuerfahndung) stützen. Die Ermittlungsergebnisse der anderen Behörde müssen lediglich in sich nachvollziehbar sein und erkennen lassen, worauf sie im Einzelnen beruhen.

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind gut beraten, im Rahmen ihrer steuerberatenden Tätigkeiten lediglich ihre „berufstypische“ oder „neutrale“ Handlungen auszuüben. Ein professionell Handelnder wie ein Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer darf wegen der „beruflichen Normalität“ seines Handelns auf die Legalität des fremden Tuns seiner Mandanten vertrauen, es sei denn, das von dem Berater erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten ist derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt“.

Hat ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit seiner Kanzlei Umsatzsteuervoranmeldungen für eine GmbH erstellt, deren Geschäftsführer durch vorsätzliche Angabe zu hoher Vorsteuerbeträge Umsatzsteuer hinterzogen hat, so hat der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vorsätzlich Beihilfe geleistet, wenn er u.a. nach Aufdeckung der Steuerhinterziehung durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die sofortige Durchführung einer die Folgezeiträume betreffenden Anschlussprüfung durch bewusst wahrheitswidrige Erklärungen gegenüber dem Finanzamt verhindert und es damit dem Geschäftsführer der GmbH als dem Haupttäter zugleich ermöglicht hat, die zunächst in der Buchführung erfassten fingierten Eingangsrechnungen eines vermeintlichen Lieferanten durch solche eines anderen Lieferanten zu ersetzen, und wenn er seinen Mitarbeiter angewiesen hat, die diesem von dem Geschäftsführer übergebenen „Austauschrechnungen“ des „neuen“ Lieferanten in die Buchführung der GmbH zu übernehmen und dabei den Austausch nicht durch eine offene Korrektur, sondern unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 146 Abs. 4 AO so vorzunehmen, dass die ursprünglichen Buchungsunterlagen (Rechnungen des „alten“ Lieferanten) später nicht mehr erkennbar waren, und wenn er zu seiner eigenen Entlastung zudem später noch durch nachweislich nachträglich erstellte und rückdatierte Schreiben den Inhalt der Mandantenakte der GmbH bewusst verfälscht hat.

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