Kleidung und Accessoires sind keine Betriebsausgaben für (Fashion-)Influencer […] ˃

Aufwendungen einer Mode-Influencerin/Mode-Bloggerin für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sind – unabhängig vom betrieblichen Nutzungsumfang – nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Die Kläger (Kläger und Klägerin) und das zuständige Finanzamt streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für Kleidungsstücke und Accessoires als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin ist als Influencerin und Bloggerin tätig. Hierzu nutzt sie verschiedene Social-Media-Plattformen sowie die Internetseiten “a.com” und “www.b.com”.

Die Klägerin erklärte die aus ihrer Tätigkeit als Influencerin und Bloggerin resultierenden Einkünfte als eigene Einkünfte aus Gewerbebetrieb als “Webdesignerin”.

Die Kläger ermittelten die jeweiligen Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmenüberschussrechnung.

Die Kläger beantragten, jährlich 40 % der privat getragenen und bisher steuerlich nicht erfassten Kosten für Kleidung, Kosmetik sowie sonstige Produkte, die für die Beiträge auf dem Blog der Klägerin angeschafft wurden, als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Dem folgte das FA unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG und die fehlende eindeutige und einwandfreie Trennungsmöglichkeit dieser Aufwendungen zwischen betrieblicher und privater Sphäre nicht.

Das FG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2023 – 3 K 11195/21, verneinte einen Betriebsausgabenabzug für eine gewerbliche tätige Influencerin.

Allgemeine Rechtliche Einordnung:

Die Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb des Steuerpflichtigen veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Dezember 2002 – VI R 137/01, BStBl. II 2003, 407 und vom 19. Januar 2017 – VI R 37/15, BStBl. II 2017, 526, Rn. 12, m.w.N.).

Ergibt die Prüfung, dass Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie grundsätzlich als Betriebsausgaben abzuziehen.

Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf betrieblichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht kommen, sofern der den Betrieb oder Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen betrieblich bzw. beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen (§ 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 200 –  GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Greifen berufliche und private Veranlassungsbeiträge dagegen so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so dass ein Abzug insgesamt nicht in Betracht kommt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

Die Feststellungslast liegt beim Steuerpflichtigen.

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs entzogen.

Ein – ggf. auch nur teilweiser – Abzug als Erwerbsaufwendungen scheidet daher aus (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Dies gilt auch bei einer gewissen Erwerbsnähe (FG Köln, Urteil vom 22. September 2021 – 12 K 1016/19, juris).

Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen.

Derartige Aufwendungen sind aber grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden.

Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus (vgl. auch BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Dem entspricht im Ergebnis die bisherige Rechtsprechung, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als nicht abziehbar beurteilt hat, da es sich um Kosten der Lebensführung handelt; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen (BFH, Beschluss vom 13. November 2013 – VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335, Rz 6, m.w.N.).

Als Ausnahme zu diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG erläuternd zur Arbeitsmittelregelung festgelegt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung Werbungskosten sind.

Hier tritt der berufliche Bezug derart in den Vordergrund, dass der Bezug zur allgemeinen Lebensführung nach dem Willen des Gesetzgebers für die Einkommensbesteuerung vernachlässigt werden kann (BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Arbeitsmittel in diesem Sinne sind alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (BFH, Urteil vom 23. Oktober 1992 – VI R 31/92, BStBl. II 1993, 193).

Die zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG entwickelten Grundsätze sind entsprechend für die Frage des Betriebsausgabenabzuges nach § 4 Abs. 4 EStG heranzuziehen (vgl. so u.a. BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Ein Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) kommt auch hier jedoch nur in Betracht, wenn sich der berufsbezogene Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970  – GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17).

Eine derartige Abgrenzung ist in aller Regel bei Bekleidungsaufwand nicht möglich und kann selbst bei der sog. typischen Berufskleidung nicht immer angenommen werden; denn wer Berufskleidung trägt, trägt sie in vielen Fällen vorrangig deshalb, um – wie andere Menschen auch – bekleidet zu sein (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 22. September 2021 12 K 1016/19, juris).

Welche Art von Kleidungsstücken danach unter den Tatbestand der “typischen Berufskleidung” i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG fallen, ist im Gesetz nicht näher definiert.

Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals “typische Berufskleidung” ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672, unter C.III.4.a)

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung grundsätzlich den nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung zuzurechnen sind, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung abziehbar sind (vgl. auch BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

Typische Berufskleidung, die steuerlich berücksichtigt werden kann, umfasst daher nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion – wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o.Ä. – folgt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 19. Januar 1996 – VI R 73/94, BStBl. II 1996, 202).

Liegt jedoch die Benutzung als normale bürgerliche Kleidung – objektiv – im Rahmen des Möglichen und Üblichen, so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebenso wenig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar wie die Aufwendungen für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 20. März 1992 -VI R 55/89, BStBl. II 1993, 192).

Hierbei ist zu beachten, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung selbst dann nicht zum Betriebsausgabenabzug führen, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird (z.B. BFH, Urteil vom 20. November 1979 – VI R 25/78, BStBl. II 1980, 75).

Rechtliche Einordnung des FG Niedersachsen

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Die Kleidung der Klägerin stellt keine typische Berufskleidung dar.

Ganz überwiegend handelte es sich bei der Kleidung und Accessoires der Klägerin um Produkte von namhafteren Modemarken (z.B. Chanel, Louis Vuitton, Gucci).

Dass den erworbenen Kleidungsstücken und Gegenständen eine Besonderheit oder Einzigartigkeit dergestalt innewohnen würde, dass sie als typische Berufsbekleidung im Sinne der Rechtsprechung des BFH eingeordnet werden könnten, ist nicht ersichtlich.

Weder sind die betreffenden Modemarken auf den Vertrieb besonderer Berufskleidung spezialisiert, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die hier zu beurteilenden Gegenstände und Kleidungsstücke Unikate wären, die vom übrigen Sortiment herausgehoben eine außerordentliche, der bürgerlichen Kleidung nicht mehr zugängliche Position im Luxusbereich einnehmen könnten.

Letztlich liegt die Benutzung sämtlicher von den Klägern angeschaffter Kleidungsstücke und Mode-Accessoires als normale bürgerliche Kleidung bzw. Ergänzung derselben – objektiv – im Rahmen des Möglichen und Üblichen, weshalb bereits hiernach – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Gegenstände durch die Klägerin – eine Einordnung als typische Berufskleidung ausgeschlossen ist (ebenso BFH, Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl. II 2022, 614).

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Unterschiedliche Handhabe: Einziehung im Strafrecht und Steuerrecht […] ˃

Unwirksame Einziehung wegen Doppelbelastung im Strafrecht:

Der Täter hat sowohl den Wert der Taterträge, die er durch seine Betrugstaten erlangt hat, als auch die ersparten Aufwendungen im Hinblick auf die erzielten Taterträge durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen jeweils in den Veranlagungsjahren eingezogen.

Damit unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Dies wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 4/87 u.a., BVerfGE 81, 228, 239 f.). Das gilt auch dann, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können.

BGH, Beschluss v. 5.4.2023 – 1 StR 436/22

Wirksame Einziehung im Umsatzsteuerrecht, keine Doppelbelastung:

Die Bestechungsgelder stellen trotz ihrer Gesetzeswidrigkeit und auch unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes sowie des ertragssteuerrechtlichen Verbots der Doppelbelastung zu versteuernde Entgelte (§ 10 UStG) für steuerpflichtige Leistungen im Sinne des § 1 UStG dar.

Wird der Steuerpflichtige später wegen der Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und wird strafrechtlich die Einziehung des Wertes des Erlangten (Bestechungsgelder) an die Landesjustizkasse abgeordnet, so führen die Zahlungen an die Landesjustizkasse nicht zu einer nachträglichen Minderung des Entgelts nach § 17 UStG.  

Denn es fehlt eine umsatzsteuerliche Vorschrift, um eine strafrechtliche Vermögensabschöpfung (hier: nach §§ 73, 73c StGB) bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen. Es kommt somit nicht darauf an, ob die Summe aus dem Abschöpfungsbetrag und der Gesamt-Steuerbelastung den aus den Gesetzesverstößen erlangten gesamten wirtschaftlichen (Netto-)Vorteil übersteigt. Möglich bleibt ein Billigkeitsverfahren nach § 227 AO.

Zahlungen des Leistenden stellen keine Entgeltminderungen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG dar, wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der erbrachten Leistung stehen, sondern auf einem anderen Rechtsgrund beruhen (hier: einer Einziehung von Taterträgen nach den §§ 73 ff. StGB).

Die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG hat nicht zur Folge, dass auch Zahlungen des Leistenden an einen Dritten (hier: die Entrichtung der strafrechtlichen Wertabschöpfung an die Staatskasse) zu einer Korrektur der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG führen. Dazu müsste der Leistende den Dritten anweisen, das Gezahlte an den Leistungsempfänger weiterzuleiten.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.3.2023 – 2 K 2150/21 (nicht rechtskräftig, da Revision beim BFH unter Az.: XI R 6/23 anhängig ist).

Unwirksame Einziehung wegen Doppelbelastung im Einkommensteuerrecht:

Anders als bei der Umsatzsteuer ist die Rechtslage bei der Einkommensteuer geklärt.

Sofern eine Einziehung oder Beschlagnahme erfolgt, ist zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Einziehungszahlung (Einziehung und steuerliche Nichtberücksichtigung) ein Abfluss jener Gelder gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 EStG anzunehmen.

BT-Drucksache 18/11640 und BGH-Beschluss v. 5.9.2019 – 1 StR 99/19.

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Benachrichtigung des Steuerberaters über den Erlass des Strafbefehls […] ˃

Dem Angeklagten ist gemäß § 44 S. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl zu gewähren.

Der Angeklagte war unverschuldet verhindert, die Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl zu wahren. Der Angeklagte durfte sich darauf verlassen, dass sein Verteidiger von der Zustellung des Strafbefehls Kenntnis erhält und in der Folge auch die Frist für einen Einspruch selbständig überwacht.

Die diesem Zweck dienende und gemäß § 145 Abs. 3 S. 2 StPO vorgeschriebene Unterrichtung des damaligen Verteidigers des Angeklagten, des Steuerberaters, über den Erlass des Strafbefehls ist nicht erfolgt. Der Strafbefehl ist dem Verteidiger vom Amtsgericht nicht bekannt gemacht worden.

Der Steuerberater des Angeklagten war beim Erlass des Strafbefehls Verteidiger im Sinne von § 145a Abs. 3 S. 2 StPO. Gemäß § 138 Abs. 1 StPO i.V.m. § 392 Abs. 1, 1.Hs AO können im selbständigen Verfahren der Finanzbehörden Steuerberater zu Verteidigern gewählt werden.

Ein solches Verfahren war vorliegend jedenfalls beim Erlass des Strafbefehls durch das Amtsgericht gegeben.

Es handelte sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls noch um einen Teil des selbständigen Verfahrens der Finanzbehörden im Sinne von § 392 Abs. 1, 1. Hs. AO. Gemäß § 400 AO kann die Finanzbehörde bei zum Strafbefehlsverfahren geeigneten Sachen selbständig beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls beantragen.

Dies hat das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung getan und das Verfahren nicht gemäß § 400 Var. 2 AO an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Unabhängig von der Streitfrage, ob der Steuerberater nach Erlass eines Strafbefehls nicht mehr berechtigt wäre, als alleiniger Verteidiger aufzutreten, und damit wirksam Einspruch gegen einen von der Finanzbehörde selbständig beantragten Strafbefehl einzulegen, wäre er jedenfalls über dessen Erlass zu informieren.

LG Köln, Beschluss v. 17.4.2023 – 116 Qs 2/23

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Strafrechtliche Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht […] ˃

Extremfall 1: Strafrechtliche Verfolgungsverjährung nach 37,5 Jahren

Durch die Rechtsänderung und zwar durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz v. 29.6.2020 (BGBl I 2020,1512=BStBl. I 2020,563) wurde § 376 Abs. 3 AO neu eingeführt. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass die Verfolgungsverjährung der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr.1-Nr.6 AO spätestens nach Ablauf des Zweieinhalbfachen der gesetzlichen Verjährungsfrist eintritt.

Weil die reguläre Verjährungsfrist in solchen Fällen 15 Jahre beträgt, beträgt das Zweieinhalbfache der Verjährungsfrist 37,5 Jahre. Die Verfolgungsverjährung tritt somit spätestens nach 37,5 Jahren ein.

Dies betrifft vor allem die Fälle der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 AO, bei denen der Maßstab für die Anwendung dieser Gesetze ein Steuerhinterziehungsbetrag von mehr als 50.000,00 € pro Tat gilt (vgl. BGH, Urteil v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28).

Extremfall 2: Strafrechtliche Verfolgungsverjährung nach 42,5 Jahren

Wenn das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung von mehr als 5 Jahren zum Beispiel in den Fällen der § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr.1-Nr.6 AO androht und das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden ist, ruht die Verjährung nach § 78b Abs. 4 StGB in den Fällen des 78 Abs. 3 Nummer 4 StGB ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens für einen Zeitraum von 5 Jahren.

Dies führt dazu, dass die Verjährung in einem Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung spätestens nach 42,5 Jahren eintritt.

Dies betrifft vor allem die Fälle der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 AO, bei denen der Maßstab für die Anwendung dieser Gesetze ein Steuerhinterziehungsbetrag von mehr als 50.000,00 € pro Tat gilt (vgl. BGH, Urteil v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28).

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Haftung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers für Steuerschulden nach § 71 AO […] ˃

Besprechung des BFH-Beschlusses v. 28.2.2023 – VII R 29/18 mit Praxishinweisen in NWB-Ausgabe (Steuer- und Wirtschaftsrecht) Nr. 9/2024, S.603-611:

Die Einstellung des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens nach § 170 Abs.2 StPO bzw. nach § 153a StPO oder die wirksam erstattete Selbstanzeige nach § 371 AO in der Zeit vor dem Erlass des Haftungsbescheids nach § 71 AO führen nicht dazu, dass der Haftungsschuldner nicht in Anspruch genommen wird.

Dabei haben die Finanzbehörden und die Finanzgerichte einen eigenen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum, so dass sie sich einerseits die Feststellungen des Strafgerichts im Fall der Verurteilung zu eigen machen und andererseits aufgrund eigener Feststellungen zur vollen Überzeugung einer Steuerhinterziehung im Fall des Freispruchs gelangen können.

Die Finanzbehörden können sich insoweit auch auf die Ermittlungsergebnisse einer anderen Finanzbehörde (z. B. der Steuerfahndung) stützen. Die Ermittlungsergebnisse der anderen Behörde müssen lediglich in sich nachvollziehbar sein und erkennen lassen, worauf sie im Einzelnen beruhen.

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind gut beraten, im Rahmen ihrer steuerberatenden Tätigkeiten lediglich ihre berufstypischen oder neutralen Handlungen auszuüben.

Ein professionell Handelnder wie ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer darf wegen der „beruflichen Normalität“ seines Handelns auf die Legalität des fremden Tuns seiner Mandanten vertrauen, es sei denn, das von dem Berater erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten ist derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt“.

Der ganze Beitrag ist im folgenden Link kostenlos zu lesen:

Haftung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers für Steuerschulden nach § 71 AO – NWB Zeitschriften

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Ausweis einer falschen Steuer in Rechnungen […] ˃

Keine Berichtigungspflicht nach § 14c UStG bei fehlender Gefährdung des Steueraufkommens und Vorliegen von Gutgläubigkeit

FG Köln, Urteil vom 25.07.2023 – 8 K 2452/21 (nicht rechtskräftig, da Revision beim BFH anhängig, Az.: BFH – V R 16/23) und das BMF-Schreiben vom 27.02.2024 – III C 2 – S 7282/19/10001:002 zu den Folgen aus den Urteilen des BFH vom 13.12.2018 – V R 4/18 und des EuGH-Urteils vom 08.12.2022 – C-378/21  

Der EuGH hat in der Rechtssache P#GmbH (EuGH, Urt. v. 8.12.2022 – C-378/21) festgestellt, dass ein Rechnungsaussteller die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nicht schuldet, wenn er die Rechnungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ausgestellt hat.

Der Sinn und Zweck von Art. 203 MwStSystRL ist, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch den unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis entgegenzuwirken.

Wenn aber die Gefahr eines zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzugs nicht vorliegt, weil die Rechnungsempfänger von vornherein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, besteht auch keine abstrakte Gefährdung für das Steueraufkommen. Eine Steuerschuld nach Art. 203 MwStSystRL scheidet dann aus.

Daher ist auch eine Berichtigung der Rechnungen oder die Rückzahlung des zu viel vereinnahmten Steuerbetrages nicht erforderlich.

Nun entschied das FG Köln in einem aktuellen Urteil (FG Köln, Urteil vom 25.07.2023 – 8 K 2452/21), dass beim Rechnungsaussteller keine Berichtigungspflicht nach § 14c UStG bei fehlender Gefährdung des Steueraufkommens und beim Vorliegen von Gutgläubigkeit bestehe.

Das FG Köln bezog sich v.a. auf o.g. EuGH-Rspr. und wendete das Unionsrecht unmittelbar zugunsten des Steuerpflichtigen an. Nach Auffassung des FG Köln kommen § 14c Abs. 1 UStG bzw. Art. 203 MwStSystRL nicht zur Anwendung, wenn das Steueraufkommen nicht gefährdet ist.

Dass – anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall – die Rechnungsempfänger keine Privatpersonen waren, sondern andere Personen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, rechtfertigt nach Auffassung des FG Köln kein anderes Ergebnis.

Das FG Köln stellt bei Rechnungsempfängern nicht nur auf Endverbraucher ab, sondern auch auf alle Personen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

Die Leitsätze des Urteils des FG Köln lauten wie folgt:

1. Eine Steuerschuld nach § 14c UStG kann nicht entstehen, wenn feststeht, dass durch den unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung keine Steuergefährdung eintreten kann. Der Aussteller der Rechnung muss daher in diesen Fällen weder die Rechnung berichtigen noch den zu viel vereinnahmten Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückzahlen.

2. Eine Gefährdung des Steueraufkommens ist ausgeschlossen, wenn Rechnungsempfänger Privatpersonen sind oder andere Personen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

3. Insbesondere, wenn eine Korrektur faktisch nicht möglich ist, weil dem Rechnungsaussteller die Rechnungsadressaten namentlich nicht bekannt sind, ist auf der Grundlage des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer die Vorschrift des Art. 203 MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass die Berichtigung der Steuerschuld eines nachweislich gutgläubigen Rechnungsausstellers nicht von der Korrektur seiner unrichtigen Rechnungen und der Rückzahlung des zu viel vereinnahmten Steuerbetrages abhängt.

Nun äußert sich das BMF in seinem aktuellen Schreiben vom 27.02.2024 – III C 2 – S 7282/19/10001:002 zu der oben skizzierten Problematik (siehe folgenden Link).

BMF-Schreiben vom 27.02.2024

Das Wichtige in Kürze aus dem o.g. BMF-Schreiben:

Der BFH hat mit Urteil vom 13. Dezember 2018 – V R 4/18 (BStBl II 2024 S. xxx) entschieden, dass die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an einen Nichtunternehmer entstehe.

Demgegenüber hat der EuGH mit Urteil vom 8. Dezember 2022, C-378/21 (siehe oben das o.g. EuGH-Urteil), Finanzamt Österreich, entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht nach Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG ist in einem solchen Fall nicht anwendbar.

Das BFH-Urteil V R 4/18 ist durch das EuGH-Urteil C-378/21 überholt und insoweit nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.

Soweit nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils C-378/21 aufgrund einer Rechnungserteilung an Endverbraucher keine Steuer nach § 14c UStG entstanden ist, bedarf es aus umsatzsteuerlicher Sicht auch keiner Berichtigung des fraglichen Steuerbetrages.

Das EuGH-Urteil C-378/21 kann daher nicht auf Fälle übertragen werden, in denen die fragliche Rechnung an einen Unternehmer für dessen unternehmerischen Bereich erteilt worden ist. Dabei ist es für die Entstehung der Steuerschuld nach § 14c UStG nicht ausschlaggebend, ob und ggf. inwieweit tatsächlich ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist. Daher entsteht die Steuer nach § 14c UStG auch dann, wenn die Rechnung z. B. an einen Kleinunternehmer, einen pauschalierenden Land- und Forstwirt oder einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen, erteilt worden ist.

Eigene Einordnung:

Das BMF folgt den Grundsätzen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache P#GmbH (siehe oben das EuGH-Urteil) und wendet seine Rechtsauffassung nur explizit auf Endverbraucher als Rechnungsempfänger an. Auf andere Personen, die auch wie Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wendet das BMF die Rechtsprechung des EuGH nicht an. Abzuwarten ist daher die Entscheidung des V. Senats des BFH im anhängigen Revisionsverfahren.

Bei ähnlicher Problematik ist die Finanzverwaltung ausdrücklich auf das oben genannte noch nicht rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Köln hinzuweisen und es sind unbedingt in Fällen der Einspruchsverfahren Anträge nach § 363 AO auf aus Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH zu stellen. Das oben genannte BMF-Schreiben bindet mangels dessen Gesetzeswirkung nur die Finanzverwaltung und nicht die Steuerpflichtigen und Finanzgerichte.

Zum Sachverhalt (FG Köln, Urteil vom 25.07.2023 – 8 K 2452/21):

Der Steuerpflichtige als Klägerin rechnete aufgrund einer verbindlichen Auskunft des Finanzamtes teilweise PZA-Leistungen (entgegen ihrer eigenen rechtlichen Sichtweise) mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in den Rechnungen an ihre Kunden ab. Bei den PZA-Leistungen handelte es sich um Produkt förmliche Zustellung“ (davor und im Folgenden: PZA-Leistungen) als Post-Universaldienstleistung nach § 4 Nr. 11b UStG.

Später erkannte das Finanzamt einen Teil dieser PZA-Leistungen als steuerbefreit an und setzte insoweit Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG fest. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen weit überwiegend an Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (Verwaltungsbehörden, Gerichte oder Unternehmer (Schiedspersonen), die unter § 4 Nr. 26 UStG fallen).

Lediglich eine sehr geringe Zahl an Leistungen, für die ein gesonderter Steuerausweis in den Rechnungen erfolgte, erbrachte die Klägerin an vorsteuerabzugsberechtigte Kunden. Die Klägerin berief sich unmittelbar auf das Unionsrecht und trug vor, dass ihr ein Erstattungsanspruch zustehe. Zum einen gäbe es in den meisten Fällen keine Steuergefährdung und zum anderen habe sie gutgläubig gehandelt.

Nach Auffassung des FG Köln seien die PZA-Leistungen steuerbefreit: Die Klage ist begründet. Die PZA-Leistungen der Klägerin sind nach § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit. Soweit die Klägerin die steuerbefreiten Leistungen mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet hat, führt dies nicht zu einer Steuerschuld nach § 14c UStG bzw. Art. 203 MwStSystRL. Der Aussteller der Rechnung muss daher in diesen Fällen weder die Rechnung berichtigen noch den zu viel vereinnahmten Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückzahlen.

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Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und wer trägt die Beweislast? […]

Seitens der Finanzverwaltung wird häufig verdeckte Gewinnausschüttung unterstellt. Insbesondere tritt dieses Problem bei Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen auf.

Zur Tragung der Beweislast für eine verdeckte Gewinnausschüttung hat neulich das FG Baden-Württemberg einen Gerichtsbescheid erlassen.

Kurze Zusammenfassung des FG Baden-Württemberg:

1. Aufgrund einer Anzeige, in welcher Gesellschafter-Geschäftsführer (Geschäftsführer) beschuldigt wurde, Einnahmen persönlich und zu Gunsten einer GmbH (Insolvenzschuldnerin) nicht der Besteuerung unterworfen zu haben und dadurch aus unversteuerten Mitteln beträchtliches in- und ausländisches Vermögen angehäuft zu haben, nahm die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Ermittlungen auf. Die Feststellungen sind im Bericht der Steuerfahndungsstelle festgehalten.

Die Auswertung der betrieblichen Buchungsunterlagen und der betrieblichen und privaten Bankkonten des Geschäftsführers durch die Steuerfahndungsstelle ergab, dass sich die Aufwendungen für den privaten Lebensunterhalt und die versteuerten Einkünfte nicht decken.

Die privaten Aufwendungen wurden über die betrieblichen Konten der Insolvenzschuldnerin verbucht. Gleichzeitig hat der Geschäftsführer seine Verbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzschuldnerin getilgt, auch in bar. Neben der Tilgung seiner Schulden gegenüber der Insolvenzschuldnerin, zahlte Geschäftsführer noch erhebliche Beträge in bar auf seine privaten Konten ein, so dass er in den Streitjahren über ein Barvermögen verfügte.

Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes wertete die in bar auf die Verrechnungskonten rückgeführten Beträge und die Bareinzahlungen auf dem Privatkonto des Geschäftsführers als Betriebseinnahmen der Insolvenzschuldnerin.

2. Steuerlich seien diese Beträge als vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nach Auffassung des Finanzamtes anzusetzen. Dabei sei der zugeflossene Betrag (Barrückführungen und Bareinzahlungen) als Bruttobetrag inklusive Umsatzsteuer anzusehen.

Es wurden seitens des Finanzamtes Schätzungsbescheide erlassen.

Eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die sich auf den Unterschiedsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auswirkt, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.

Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist in der Regel gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vorteil gewährt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl.  BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 36/03, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2004, 307).

3. Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (vgl. Gerichtsbescheid vom 16.08.2023 – 10 K 2082/2) habe das Finanzamt im Streitfall nach Aktenlage keine bei der Insolvenzschuldnerin eingetretene verhinderte Vermögensmehrung nachweisen können.

Es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass unversteuerte Betriebseinnahmen der Insolvenzschuldnerin vorhanden seien, die für Zwecke des Geschäftsführers verwendet worden seien.

Die Beweislast (objektive Feststellungslast) für das Vorliegen einer vGA (sog. verdeckte Gewinnausschüttung) trage allein das Finanzamt.

4. Konsequenzen für die Praxis:

Wenn nicht ausreichend dargelegt wird, dass unversteuerte Betriebseinnahmen der Insolvenzschuldnerin vorliegen, die für Zwecke des Geschäftsführers verwendet wurden, können keine vGA-Hinzuschätzungen erfolgen.

Es können daher keine zusätzlichen Betriebseinnahmen der Insolvenzschuldnerin angenommen werden, deren Verwendung für Zwecke des Geschäftsführers bei ihr zu einer vGA führen würden.

Die fehlende Aufklärung der Herkunft des beim Geschäftsführer festgestellten ungeklärten Vermögens ist daher nicht der Insolvenzschuldnerin anzulasten.

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Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden einer GmbH nach § 69 AO […]

Gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gemäß § 69 S. 1 AO, §§ 34 Abs.1 S.1, 35 Abs.1 S.1 AO haftet Geschäftsführer einer GmbH als deren gesetzliche Vertreter für die Steuerschulden der GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Die Haftung nach § 69 AO bedeutet das Einstehenmüssen für die Schuld eines Dritten, so dass sich die Haftungs- und Steuerschuldnerschaft gegenseitig ausschließen.

Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen.

Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen. Dies gilt auch beim eigenen Unvermögen des Geschäftsführers beziehungsweise beim Überwachungsverschulden des Geschäftsführers.

Die Haftung entfällt nach § 36 AO für den Geschäftsführer nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zudem seine Vertreterstellung endet (vgl. FG Münster Urteil vom 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L (nicht rechtskräftig), Revision beim BFH unter Az. VII R 4/23; und FG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2023 – 7 K 883/20 H).

Nach Auffassung des BFH und des Finanzgerichts Münster (vgl. FG Münster, Urteil vom 30.04.2019 – 12 K 620/15, EFG 2019, 1257) ist dabei unerheblich, ob der Geschäftsführer nur als Strohmann tätig geworden sei (vgl. BFH, Beschluss vom 15.11.2022 – VII R 23/19).  Auch haftet derjenige, der faktisch keinen Einfluss auf die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nahm. Da der faktische Geschäftsführer Verfügungsberechtigte im Sinne von § 35 AO ist, haftet auch er gemäß § 69 AO.

Die Haftung des Strohmannes steht neben der Haftung des faktischen Geschäftsführers. Beide oder nur einer von ihnen können in Haftung genommen werden. Allerdings ist das eine Frage der Ermessensausübung der Finanzverwaltung (vgl. FG Münster. Urteil vom 12.08.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797). Wenn nicht einmal die Inanspruchnahme des faktischen Geschäftsführers von der Finanzverwaltung geprüft wird, ist dies ermessensfehlerhaft (Hessisches FG, Beschluss vom 23.02.2022 – 6 V 1556/21).

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht verpflichtet ist, die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst zu erledigen. Er ist vielmehr grundsätzlich befugt, die Erledigung anderen Personen zu übertragen. Der Geschäftsführer darf aber nur innerhalb gewisser Grenzen der Redlichkeit seiner Hilfspersonen Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen will.

Er ist daher verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen.

Auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, kann sich dabei niemand berufen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen.

Wer hingegen die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernimmt, haftet, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, nach § 69 AO auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen (vgl. BFH/NV 1998, 1325, unter II.1., m.w.N.).

Dasselbe gilt für den Einwand, dass sich der Geschäftsführer einer GmbH nicht damit entschuldigen kann, dass in Wirklichkeit der Ehepartner die Geschäftsführertätigkeit wahrgenommen habe (vgl. BFH, Urteil vom 07.05.1985 – VII R 111/78, BFH/NV 1987, 210) oder es sich bei dem nominell bestellten Geschäftsführer lediglich um einen “Strohmann” gehandelt habe und die Geschäfte tatsächlich von einer anderen Person geführt worden seien (vgl. BFH, Urteil vom 11.03.2004 – VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579, unter II.1.b).

Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Steuerstreitrecht (Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren) und Umsatzsteuerrecht, Seminare und Inhouse-Schulungen: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe, Bruchsal, Rastatt, Ettlingen, Offenburg, Pforzheim, Baden-Baden, Speyer, Bühl, Gaggenau, Freudenstadt, Nagold, Horb am Neckar, Rheinstetten, Bretten, Waghäusel, Landau in der Pfalz, Germersheim, Neustadt an der Weinstraße, Ludwigshafen am Rhein, Frankenthal (Pfalz), Ludwigshafen am Rhein, Mannheim, Schwetzingen, Heidelberg, Hockenheim, Wiesloch, Sinsheim, Mosbach, Neckargmünd, Bad Rappenau, Eppingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Stuttgart

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Direktanspruch gegen den Fiskus im Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO wegen Rückerstattung der Umsatzsteuer (aktuelle EuGH-Rspr. in Bezug auf deutsches Umsatzsteuerrecht) […]

Direktanspruch gegen den Fiskus im Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO wegen Rückerstattung der Umsatzsteuer:

Die Problematik entsteht u.a. im Rahmen der Abwicklung der § 13b UStG-Geschäfte in der Baubranche, wenn zum Beispiel irrtümlicherweise zwischen dem Leistenden und Leistungsempfänger nach der Bruttomethode anstatt nach der Nettomethode nach § 13b UStG geleistet und abgerechnet wurde.

Im Regelfall erst Jahre später, wenn es zur Betriebsprüfung kommt, wird festgestellt, dass umsatzsteuerrechtliche Abwicklung zwischen dem Leistenden und Leistungsempfänger falsch war. Oft ist auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Festsetzungsverjährung bereits eingetreten. Der Leistungsempfänger muss in solchen Fällen von dem Leistenden nach § 14c UStG die Rechnungsberichtigung verlangen und die bereits geleisteten Umsatzsteuer von ihm zurückverlangen. Es findet Rückabwicklung der Umsatzsteuer statt. Bei der Zurückerstattung der Umsatzsteuer gibt es auch die Möglichkeit der Abtretung, die im Regelfall vom Fiskus akzeptiert wird.

Oft sind manche Unternehmer als leistende Unternehmer insolvent, nicht auffindbar oder sie berufen sich auf die zivilrechtliche Einrede der Verjährung. Für die Durchsetzung der Ansprüche (Rückerstattung der Umsatzsteuer) zwischen dem Leistungsempfänger und dem Leistenden ist ausschließlich der Zivilrechtsweg gegeben.

Bisher war höchstrichterlich einigermaßen geklärt, das im Falle der Insolvenz des Leistenden dem Leistungsempfänger ein Direktanspruch nach §§ 163, 227 AO im sog. Billigkeitsverfahren gegenüber dem Finanzamt zusteht, wenn die Rückerstattung der Umsatzsteuer „unmöglich“ oder „übermäßig schwierig“ ist. Für die Kategorie der „Unmöglichkeit“ galten vor allem die Fälle der Insolvenz des Leistenden (vgl. EuGH-Urteil v. 11.04.2019 – C-691/17 – PORR Epitesi Kft; EuGH-Urteil v. 15.03.2017 – C 35/05 – Reemtsma Cigarrentenfabriken).

Der Fiskus stellt sich quer gegen den Direktanspruch des Leistungsempfängers sowohl im Billigkeitsverfahren als auch im Einspruchsverfahren. Im außergerichtlichen Verfahren ist es beinahe aussichtslos, den Direktanspruch gegenüber dem Fiskus geltend zu machen. Das ist zumindest wohl die gängige Praxis in Baden-Württemberg.

Das FG Münster (vgl. Beschluss des FG Münster vom 27.06.2022 – 15 K 2327/20 AO) legte dem EuGH durch Vorlagenbeschluss die Frage vor, ob u.a. die Einrede der Verjährung in die Kategorie „unmöglich“ oder „übermäßig schwierig“ fällt.

Der EuGH wies daraufhin in seinem aktuellen Urteil vom 07.09.2023 – C – 453/22-, Rs. Schütte, hin, dass es sich beim Anspruch auf Erstattung unionsrechtswidrig erhobener Steuern um einen unionsrechtlich garantierten Anspruch handele. Werde die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig schwierig, könne sich aus den unionsrechtlichen Grundsätzen ergeben, dass dem Leistungsempfänger die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, einen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden zu richten („Direktanspruch“).

Im o.g. Urteil des EuGH wies der Gerichtshof auch darauf hin, dass er die Insolvenz eines Leistenden immer lediglich als Beispiel der Unfähigkeit zur Rückzahlung genannt („insbesondere“), andere Fälle damit aber nicht ausgeschlossen habe. Nach der Auffassung des EuGH steht dem Leistungsempfänger ein Direktanspruch auch dann zu, wenn der Leistungsempfänger die Mehrwertsteuerbeträge vom Leistenden nicht mehr zurückverlangen kann, weil dieser sich auf die Einrede der Verjährung beruft.

Damit ist wohl durch das Urteil EuGH geklärt, dass die Fälle der Insolvenz und der Verjährung in die Kategorie „unmöglich“ fallen. Was aber in die Kategorie „übermäßig schwierig“ zu subsumieren, ist nach wie vor höchstrichterlich nicht geklärt. Die Fälle der Unerreichbarkeit des Leistenden sollen wohl in die Kategorie „übermäßig schwierig“ fallen. Denn dem Leistungsempfänger ist es gleichgültig, ob er sein Geld nicht zurückbekommt, weil der Leistende insolvent ist oder weil er die Zahlung aus anderen Gründen nicht zahlen kann, weil er nicht auffindbar ist.

Sonst bleibt der Leistungsempfänger ohne Direktanspruch auf dem Schaden sitzen und er hat an das Finanzamt gesetzeswidrig doppelte Zahlung (zuerst im Rahmen der Bruttoabrechnung an den Leistenden und dann im Rahmen der Vorsteuerabzugskürzung an den Fiskus) der Mehrwertsteuer geleistet.

Zu beachten ist, dass das Urteil des FG Münster noch aussteht. Außerdem ist zu beachten, dass der BFH ebenfalls eine Vorlage in Bezug auf den Direktanspruch gegen den Fiskus dem EuGH vorgelegt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 03.11.2022 – XI R 6/21). In dieser Sache ist ebenfalls noch keine Entscheidung gefallen.

Das BMF-Schreiben vom 12.04.2022 (III C 2 – S 7358/20/1001:004; DOK 2022/0385137) ist wohl aufgrund des oben genannten EuGH-Urteils nicht mehr aktuell, da dieses Schreiben lediglich einen Direktanspruch dem Leistungsempfänger nur für den Fall einer abschließend festgestellten Insolvenz des Leistenden vorsieht, wobei die rechtliche Qualität dieses BMF-Schreibens ohnehin wegen fehlender Rechtswirkung sehr zweifelhaft ist.

Zu beachten ist auch, dass, wenn die Voraussetzungen für einen Direktanspruch nach der Rechtsprechung des EuGH und BFH erfüllt sind, der Ermessensspielraum der Finanzverwaltung im Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO auf Null reduziert ist (vgl. BFH-Urteil v. 30.06.2015 – VII R 42/14 Rn. 27 m.w.N).

In den Fällen der einschlägigen Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung ist daher empfehlenswert, sich auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH, des BFH und der deutschen Finanzgerichte zu beziehen. Den Weg zu Finanzgerichten sollte man nicht scheuen.

Nachfolgend weitere Ausführungen zum Direktanspruch:

Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht in Ausnahmefällen – unter Beachtung des Grundsatzes der Effektivität – ein unmittelbarer Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers gegen die Finanzbehörde, wenn die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert wird (Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2007, Rs. C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, ECLI:EU:C:2007:167, Rn. 41).

Hierzu müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichen, zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer erstattet zu bekommen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2007, Rs. C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, ECLI:EU:C:2007:167, Rn. 41).

In seiner nachfolgenden Rechtsprechung hat der EuGH diese Grundsätze mehrfach bestätigt (vgl. Urteile in diesem Sinne vom 26. April 2017, Rs.C-564/15, Farkas, EU:C:2017:302, Rn. 53; vom 11. April 2019, Rs.C-691/17, PORR, ECLI:EU:C:2019:327, Rn. 42; vom 10. Juli 2019, Rs.C-273/18, Kursu zeme, ECLI:EU:C:2019:588, Rn. 41).

Die Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte hat sich der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen (vgl. BFH-Urteil v. 25.06.2020 – V B 88/19; BFH-Urteil v. 22.08.2019 – V R 50/16; BFH-Urteil v. 5.12.2018 – XI R 44/14, Rz. 75 f. und BFH-Urteil v. 5.12.2018 – XI R 8/14, Rz. 81 ff.).

Der BFH sieht das den Mitgliedstaaten eingeräumte Recht zur Bestimmung des Verfahrens durch die nach deutschem Recht gegebene Möglichkeit einer Entscheidung der Finanzbehörde im Billigkeitsverfahren gem. §§ 163, 227 AO als gewährleistet (vgl. BFH-Urteil v. 30.06.2015 – VII R 42/14 Rn. 23-28 m.w.N).

Soweit dem Beklagten nach diesen Vorschriften ein Ermessensspielraum zustehe, der grundsätzlich durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüft werden kann, ist dieser Ermessensspielraum auf Null reduziert, wenn die Voraussetzungen für einen Direktanspruch nach der Rechtsprechung des EuGH (“Reemtsma-Anspruch”) gegen den Beklagten erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil v. 30.06.2015 – VII R 42/14 Rn. 27 m.w.N).

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Haftung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers für Steuerschulden nach § 71 AO […]

Der BFH hat in seiner aktuellen Entscheidung, Beschluss vom 28.02.2023 – VII R 29/18, grundlegend zum Haftungsbescheid nach § 71 AO gegen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten einer GmbH Stellung genommen.

Dabei hat er ausgeführt, dass es für die Beurteilung des Vorliegens der Beihilfe zur Haupttat unerheblich sei, ob ein gegen den Haftungsschuldner eingeleitetes Steuerstrafverfahren nach § 170 Abs.2 StPO zuvor eingestellt worden sei. Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang das Urteil der Vorinstanz des FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2018 – 9 K 9306/12, EFG 2018, 1765.

Voraussetzung für eine auf § 71 AO gestützte Haftungsinanspruchnahme des Teilnehmers an einer Steuerstraftat ist die Feststellung, dass eine vorsätzliche Steuerhinterziehung des Haupttäters vorliegt, die tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden ist. Das Delikt muss vollendet sein. Ein bloßer Versuch begründet mangels eines Haftungsschadens keine Haftung nach § 71 AO.

Die Einstellung der eingeleiteten Steuerstrafverfahren nach § 170 Abs.2 StPO bzw. nach § 153a StPO oder die wirksam erstattete Selbstanzeige nach § 371 AO in der Zeit vor dem Erlass des Haftungsbescheides nach § 71 AO führen nicht dazu, dass der Haftungsschuldner nicht in Anspruch genommen wird.

Dabei haben die Finanzbehörden und die Finanzgerichte eigenen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum in Bezug auf die Begehung der Steuerhinterziehung, so dass sie einerseits die Feststellungen des Strafgerichts im Fall der Verurteilung zu eigen machen und anderseits aufgrund eigener Feststellungen zur vollen Überzeugung einer Steuerhinterziehung im Fall des Freispruches gelangen können.

Die Finanzbehörden können sich insoweit auch auf die Ermittlungsergebnisse einer anderen Finanzbehörde (zum Beispiel der Steuerfahndung) stützen. Die Ermittlungsergebnisse der anderen Behörde müssen lediglich in sich nachvollziehbar sein und erkennen lassen, worauf sie im Einzelnen beruhen.

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind gut beraten, im Rahmen ihrer steuerberatenden Tätigkeiten lediglich ihre „berufstypische“ oder „neutrale“ Handlungen auszuüben. Ein professionell Handelnder wie ein Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer darf wegen der „beruflichen Normalität“ seines Handelns auf die Legalität des fremden Tuns seiner Mandanten vertrauen, es sei denn, das von dem Berater erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten ist derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt“.

Hat ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit seiner Kanzlei Umsatzsteuervoranmeldungen für eine GmbH erstellt, deren Geschäftsführer durch vorsätzliche Angabe zu hoher Vorsteuerbeträge Umsatzsteuer hinterzogen hat, so hat der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vorsätzlich Beihilfe geleistet, wenn er u.a. nach Aufdeckung der Steuerhinterziehung durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die sofortige Durchführung einer die Folgezeiträume betreffenden Anschlussprüfung durch bewusst wahrheitswidrige Erklärungen gegenüber dem Finanzamt verhindert und es damit dem Geschäftsführer der GmbH als dem Haupttäter zugleich ermöglicht hat, die zunächst in der Buchführung erfassten fingierten Eingangsrechnungen eines vermeintlichen Lieferanten durch solche eines anderen Lieferanten zu ersetzen, und wenn er seinen Mitarbeiter angewiesen hat, die diesem von dem Geschäftsführer übergebenen „Austauschrechnungen“ des „neuen“ Lieferanten in die Buchführung der GmbH zu übernehmen und dabei den Austausch nicht durch eine offene Korrektur, sondern unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 146 Abs. 4 AO so vorzunehmen, dass die ursprünglichen Buchungsunterlagen (Rechnungen des „alten“ Lieferanten) später nicht mehr erkennbar waren, und wenn er zu seiner eigenen Entlastung zudem später noch durch nachweislich nachträglich erstellte und rückdatierte Schreiben den Inhalt der Mandantenakte der GmbH bewusst verfälscht hat.

Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Steuerstreitrecht (Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren) und Umsatzsteuerrecht, Seminare und Inhouse-Schulungen: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe, Bruchsal, Rastatt, Ettlingen, Offenburg, Pforzheim, Baden-Baden, Speyer, Bühl, Gaggenau, Freudenstadt, Nagold, Horb am Neckar, Rheinstetten, Bretten, Waghäusel, Landau in der Pfalz, Germersheim, Neustadt an der Weinstraße, Ludwigshafen am Rhein, Frankenthal (Pfalz), Ludwigshafen am Rhein, Mannheim, Schwetzingen, Heidelberg, Hockenheim, Wiesloch, Sinsheim, Mosbach, Neckargmünd, Bad Rappenau, Eppingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Stuttgart

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