Steuerliche Behandlung Wegziehender mit deutscher Staatsangehörigkeit (Deutschland- Schweiz) […] »

Steuerliche Behandlung Wegziehender mit deutscher Staatsangehörigkeit (Deutschland- Schweiz)

Nachgelagertes Besteuerungsrecht ist trotz fehlenden inländischen Anknüpfungspunkts verfassungsgemäß:

Als Inländer gelten nach § 2Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.

Für sie gilt unbeschränkte Steuerpflicht, weil sie Inländer sind.

Es tritt die Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist.

Anmerkung: Im Fall der DBA zwischen Deutschland und den USA auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungssteuern sind es 10 Jahre.

Exkurs: Das DBA (Deutschland-Schweiz) auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern kommt bei Schenkungen unter Lebenden nicht zur Anwendung.

In Anlehnung an das OECD-MA-ErbSt 1966 enthält das DBA-Schweiz keine Regelungen für Schenkungen unter Lebenden.

Die für Nachlass- und Erbschaftsteuern geltenden Abkommensregelungen sind dafür auf diejenigen Schenkungssteuern anzuwenden, die aus Schenkungen von Geschäftsbetrieben unter Lebenden resultieren.

Exkurs: Erbschafts- und Schenkungssteuer in der Schweiz: Die Steuerhoheit für Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer stehen Kantonen und zum Teil Gemeinden (z.B. Kanton Graubünden) in der Schweiz zu.

Manche Kantone wie Obwalden und Schwyz erheben überhaupt keine Erbschafts- und Schenkungsteuer – dies ist in Deutschland aus fiskalischer und wohl aus gesetzgeberischer Sicht nicht einmal ansatzweise vorstellbar -.

Kanton Luzern erhebt z.B. nur eine Erbschaftsteuer, aber keine Schenkungsteuer.

Die Erbschafts- und Schenkungsteuer ist in der Schweiz nicht harmonisiert.

Die Ausgestaltung im Einzelnen ist sehr unterschiedlich.

Sachverhalt: Der Kläger (Sohn) und seine Mutter – jeweils deutsche Staatsangehörige – verlegten ihren jeweiligen alleinigen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz.

Der Kläger erhielt von der Mutter, die später starb, ein Grundstück im Wege einer Schenkung in der Schweiz übertragen.

Nach Abzug des Freibetrages und Anrechnungsbetrages für die Vorerwerbe setzte das in Deutschland zuständige Finanzamt Schenkungsteuer in einem sechsstelligen Eurobetrag gegen den Sohn durch einen Bescheid fest.

Weder eine Anrechnung schweizerischer Vermögenssteuer nach § 21 ErbStG noch die Vermeidung der Steuerbelastung durch das DBA Deutschland-Schweiz kamen im Streitfall in Betracht.

Da beide die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und ihre jeweiligen Wohnsitze im Inland (Deutschland) erst kurz zuvor aufgegeben hatten, unterfielen sie der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG, ist die Auffassung des Finanzamtes.

Der Sohn als Kläger ging bis zum Bundesverfassungsgericht, da er zuvor beim Finanzgericht München, Urteil v. 03.07.2019 – 4 K 1286/18 und dem BFH (Bundesfinanzhof), Urteil vom 12.10.2022 (II R 5/20) über das Nichtzulassungsrevisionsverfahren unterlag.

BFH sah auch keine Notwendigkeit, die Streitsache dem EuGH vorzulegen.

Die Verfassungsbeschwerde gegen die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht wurde durch den Beschluss des BVerfG (Bundesverfassungsgerichts) abgelehnt, und zwar durch den Nichtannahmebeschluss (d.h. die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 21.02.2025, 1 BvR 325/23)

Damit ist der Rechtsweg endgültig ausgeschöpft.

Fazit: Nachgelagertes Besteuerungsrecht ist trotz fehlenden inländischen Anknüpfungspunkts verfassungsgemäß.

Einige Anmerkungen zum Urteil:

Die Doppelbesteuerung kann in manchen Fällen zumindest teilweise durch § 21 ErbStG oder durch ein bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen für Erbsteuer-Zwecke vermieden werden.

Der Zweck des § § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG ist es nämlich, Umgehungen der Erbschaft- und Schenkungssteuerpflicht durch einen nur vorübergehenden Wegzug ins Ausland zu verhindern.

Schließlich kann die erweiterte Steuerpflicht nach § § § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b) ErbStG durch – die im Einzelnen sicherlich einschneidende – Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit (durch den Schenker und/oder den Erwerber) vermieden werden.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 23.2.2006 – Rs. C-513/03 hinsichtlich der niederländischen zehnjährigen erweitert unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht entschieden, dass diese nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße und daher nicht europarechtswidrig sei.

In seiner Entscheidung vom 12.2.2009-Rs.C-67/08 hat der EuGH sodann entschieden, dass auch eine Doppelbesteuerung innerhalb der EU nicht zwingend vermieden werden müsse.

Somit kann wohl auch die deutsche erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht als unionsrechtskonform angesehen werden.

Ergebnis: Die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG, wonach deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, als Inländer gelten (sog. erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht), ist weder verfassungs- noch europarechtswidrig.

Kontaktperson: Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Steuerstreitrecht, Haftungsrecht, Umsatzsteuerrecht, Haftungsrecht, Deutsch-Schweizer Steuerrecht, Compliance, Seminare und Inhouse-Schulungen: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe, Pfinztal, Waldbronn, Karlsbad, Bruchsal, Rastatt, Malsch, Ettlingen, Offenburg, Pforzheim, Baden-Baden, Speyer, Bühl, Achern, Oberkirch, Gaggenau, Freudenstadt, Nagold, Horb am Neckar, Rheinstetten, Bretten, Remchingen, Waghäusel, Landau in der Pfalz, Germersheim, Neustadt an der Weinstraße, Ludwigshafen am Rhein, Frankenthal (Pfalz), Ludwigshafen am Rhein, Kandel, Herxheim, Mannheim, Schwetzingen, Heidelberg, Hockenheim, Wiesloch, Sinsheim, Mosbach, Neckargmünd, Bad Rappenau, Eppingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Stuttgart, Esslingen, Mühlacker, St. Leon-Rot, Bad Dürkheim, Haßloch, Ketsch, Leimen, Neckargemünd, Eggenstein-Leopoldshafen, Linkenheim-Hochstetten, Stuttensee, Iffezheim, Oberkirch, Bad Wildbad

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Praxisrelevante Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht 2024 […] »

Praxisrelevante Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht 2024:

Die wichtigsten Gerichtsentscheidungen im Jahr 2024:

In dem von mir verfassten Aufsatz (NWB Nummer 33, Seiten 2264-2281) habe ich wichtige und praxisrelevante Urteile aus der Rubrik des Steuerstrafrechts 2024 besprochen. Dies sind in Kürze folgende Urteile:

I. Steuerhinterziehungen (§ 370 AO):

      1. Steuerhinterziehung als Kommanditist bzw. Komplementär

          (BGH, Urteil v. 24.1.2024 – 1 StR 218/23)

  1. Steuerhinterziehung gegen juristische Person bei Manipulation von Aufzeichnungen (BGH, Urteil v. 6.3.2024 – 1 StR 308/23)
  1. Strafzumessung bei Steuerhinterziehung (BGH, Urteil v. 25.07.2024 – 1 StR 68/24)
  1. Einfluss der Gewinnermittlungsart auf die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (BGH, Beschluss v. 12.12.2024 – 1 StR 112/24)
  1. Keine Steuerhinterziehung im Fall der Sitzverlegung in eine inländische Gewerbesteueroase (LG Köln, Urteil v. 1.7.2024, 106 KLs 7/23)
  1. Steuerhinterziehung durch Tankwagenfahrer (BGH, Beschluss v. 11.09.2024 – 1 StR 304/24)
  1. Notwendige Urteilsfeststellungen bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (BGH, Beschluss v. 04.04.2024 – 1 StR 14/24)
  1. Feststellungsanforderungen bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (BGH, Beschluss v. 17.10.2024 – 1 StR 170/24)
  1. Umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch bei Schein- und Abdeckrechnungen (Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 07.12.2024 – 6 K 443/22 nicht rechtskräftig; anhängig BFH – V R 21/24)
  1. Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in Körperschaftssteuererklärungen (Cum-Ex-Geschäfte) (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 10.12.2024 – 3 Ws 231/24)
  1. Steuerhinterziehung bei Cum-Ex-Geschäften (BGH, Beschluss v. 29.10.2024 – 1 StR 58/24)

II. Einziehung (§§ 73 ff. StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO):

  1. Einziehung und Kompensationsverbot (BGH, Beschluss v. 21.2.2024 – 1 StR 394/23).
  1. Wertersatzeinziehung ersparter Aufwendungen bei Dritten (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 1.2.2024 – 18 Qs 19/23).
  1. Umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage im Falle strafrechtlicher Einziehung von Taterträgen (BFH, Urteil v. 25.09.2024 – XI R 6/23).
  1. Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung (BGH, Beschluss v. 11.01.2024 – 1 StR 422/23)
  1. Steuerhinterziehung im Rahmen von Cum-Ex.-Aktiengeschäften: Ablehnung einer Einziehungsanordnung unter dem Gesichtspunkt der Abschöpfung des Tatlohns (BGH, Urteil v. 18.09.2024 – 1 StR 197/24)
  1. Strafrechtliche Vermögensabschöpfung: Isolierte Anfechtung der Einziehungsanordnung (BGH, Urteil v. 16.04.2024 – 1 StR 204/23)
  1. (Einziehungs-) Beteiligung einer GmbH nach Insolvenzeröffnung (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 18.03.2024 – 18 KLs 505 Js 1651/21)
  1. Einziehung des Wertes von Taterträgen (Keine Doppelbelastung) (BGH, Beschluss v. 07.03.2024 – 1 StR 438/23)
  1. Einziehung des Wertes von Taterträgen beim untauglichen Versuch (Insidergeschäft) (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 25.7.2024 – 7 Ws 253/23)

III. Strafverfahrensrecht und Sonstiges:

  1. Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme von (Original-) Geschäftsunterlagen und Anspruch auf Erstellung von Kopien im Steuerstrafverfahren (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 1.8.2024 – 18 Qs 14/24)
  1. Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung: Ablaufhemmung durch unterlassene Berichtigung seitens des Erben – Erweiterung der Ablaufhemmung bis zur Strafverfolgungsverjährung durch Steuerfahndungsermittlungen (FG Düsseldorf, Urteil v. 24.05.2024 – 3 K 2297/20 E; nicht rechtskräftig)
  1. Anforderungen an einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung und zur Auslösung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO (BFH, Urteil v. 31.01.2024 – X R 7/22)
  1. Durchsuchung bei einem Steuerberater bzw. einer Steuerberatungs-GmbH als Vertragspartner (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 08.05.2024 – 12 Qs 2/24)
  1. Durchsuchungsanordnung bei Umsatzsteuerkarussell (BVerfG, Beschluss v. 11.11.2024 – 1 BvR 1085/24)
  1. Automatischer Finanzkonten-Informationsaustausch verstößt nicht gegen Grundrechte (BFH, Urteil v. 23.01.2024 – IX R 36/21)

Der Beitrag „Praxisrelevante Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht 2024“ steht in voller Länge und kostenlos (180-Tage) unter folgendem Link Praxisrelevante Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht 2024 zum Lesen zur Verfügung.

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Keine strafbare Steuerhinterziehung bei Ausfuhr der Waren in ein Drittland […] »

Keine strafbare Steuerhinterziehung bei Ausfuhr der Waren in ein Drittland:

Die Klägerin lieferte Kraftfahrzeuge aus dem Inland (Deutschland) in die Türkei an dort ansässige Abnehmer.

Das in Deutschland zuständige Finanzamt versagte die Umsatzsteuerfreiheit nach § 6 UStG unter Bezugnahme auf die Missbrauchsrechtsprechung des EuGH, da sich die Klägerin aktiv an einem Betrugsmodell beteiligt hat.

Sie hat die Begehung von Steuerverkürzungen im Empfangsstaat durch die Erteilung unterfakturierter Zweitrechnungen, die das Entgelt im Vergleich zu den zutreffenden Erstrechnungen nicht vollständig ausgewiesen hatten, ermöglicht.

In der Türkei sind mit diesen Rechnungen die Sonderverbrauchsteuer ÖTV (Özel Tüketim Vergisi) und die Umsatzsteuer KDV (Katma Deger Vergisi) bei der Einfuhr hinterzogen worden.

Der V. Senat des BFH hat in zwei Grundsatz-Entscheidungen entschieden, dass die im Rahmen der Ausfuhr in ein Drittland (hier die Türkei) erfolgende Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer dieses Drittstaates keine nach deutschem Recht strafbare Steuerhinterziehung sei. Dies führe auch nicht zur Versagung der Steuerbefreiung.

Die Leitsätze aus 2 den BFH-Urteilen (BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19, BStBl. II 2020, 608 und BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19):

  1. Die Anwendung der Missbrauchsrechtsprechung des EuGH bei Ausfuhrlieferungen ist nicht anwendbar.
  2. Die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt voraus, dass diese Lieferung korrespondierend beim Erwerber die Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung begründet.
  3. Demgegenüber besteht bei Ausfuhrlieferungen keine aus dem Tatbestand der Steuerfreiheit ableitbare Korrespondenz zwischen der Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung und der Besteuerung im Drittstaat.
  4. Aus der Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer in einem Drittstaat folgt kein Nachteil für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
  5. Das Ausstellen einer unterfakturierten Zweitrechnung führt nicht dazu, die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung aufgrund einer vom Abnehmer zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begangenen Steuerhinterziehung zu versagen.
  6. Durch das Bestehen einer Zollunion mit der Türkei wird die Türkei nicht zum Teil des Binnenmarkts.
  7. In einer Zollunion besteht keine Grundlage dafür, zollrechtliche Verstöße zwingend mit steuerrechtlichen Sanktionen bewehren zu müssen.

Hier geht es zum Urteil des BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 24/19 und

Hier geht es zum Urteil des BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 20/19

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Steuerhinterziehungsbekämpfung | Steuerfahndung Nordrhein-Westfalen (NRW) wertet Influencer-Datenpaket aus (LBF NRW) […] »

Das Influencer-Team des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur.

Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus.

Darin enthalten sind 6000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen.

Sie beziehen sich ausschließlich auf Influencer aus Nordrhein-Westfalen.

Sie umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Millionen Euro.

Hierzu führt das LBF NRW u.a. weiter aus:

  • Im Fokus der Ermittlungen stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.
  • Das LBF NRW hat auch auf den sozialen Netzwerken die großen Fische im Visier.
  • Bei den großen Social-Media-Profilen gibt es Akteure, die mit hoher krimineller Energie jegliche Steuerverpflichtung zu umgehen versuchen.
  • Es ist keine Seltenheit, dass ein Influencer pro Monat mehrere zehntausend Euro verdient, aber nicht einmal eine Steuernummer hat.
  • Die Ermittlungen sind für Steuerfahndung aufwendig.
  • Denn einen festen Arbeitsplatz der Influencer gibt es nicht, oftmals melden sich die Content-Creator mit steigenden Umsätzen ins Ausland ab, um dem Finanzamt zu entgehen.
  • Zudem sind die digitalen Wege zum Geld vielfältig: Vergütung für Klicks, Verkäufe, Werbekooperationen, Abo-Zahlungen, Trinkgelder für persönliche Fotos – und neue Konzepte keimen ständig auf.
  • Insbesondere bei Werbung, die nur temporär sichtbar ist und nach 24 Stunden gelöscht wird, ist die Beweisführung schwierig.
  • Hier hat NRW Ermittlungsmethoden initiiert, um Werbepartnerschaften und -einnahmen zurückverfolgen und beweissicher nachweisen zu können.
  • Andere Länder haben sich dies inzwischen zum Vorbild genommen und die in Nordrhein-Westfalen entwickelten Methoden ebenfalls implementiert.
  • Das Influencer-Team des LBF NRW führt derzeit rund 200 laufende Strafverfahren gegen in NRW lebende Influencer – die Fälle aus dem aktuellen Datenpaket noch nicht eingerechnet.
  • Durchschnittlich geht es um einen hohen fünfstelligen steuerlichen Fehlbetrag, in Einzelfällen auch um Fehlbeträge in Millionenhöhe.

Quelle: LBF NRW, Pressemitteilung v. 15.7.2025 (il)

Mehr dazu auch unter: Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus | Finanzverwaltung NRW

Kontaktperson: Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, insbesondere Delikte in Zusammenhang mit Steuerhinterziehungen: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe/Ettlingen

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Kein Vorsteuerabzug bei bloßer Mitwirkung eines Zwischenhändlers im Reihengeschäft […] »

Versagung des Vorsteuerabzug beim Fahrzeughandel:

  • Keine Lieferungen bei fehlender Verfügungsmacht im Reihengeschäft
  • Fehlende Lieferung führt zur Versagung des Vorsteuerabzugs beim Zwischenhändler bzw. Zwischenerwerber

(Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 18.03.2025, Az. 2 K 1120/21):

  • Ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass eine Lieferung an den Steuerpflichtigen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt.
  • Dies erfordert die Übertragung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand.
  • Bloße Mitwirkung an einer Lieferkette ohne eigene Verfügungsbefugnis genügt nicht.
  • Ein Fahrzeughändler, der ausschließlich vermittelnd zwischen Verkäufer und Erwerber auftritt und weder die Verfügungsmacht über die Fahrzeuge erlangt noch übertragen kann, tätigt keine Lieferung, sondern erbringt lediglich eine sonstige Leistung.
  • Die wirtschaftliche Eingliederung einer GmbH in das Einzelunternehmen ihres Alleingesellschafter-Geschäftsführers wird nicht allein durch gemeinsame Büronutzung oder eine Geschäftsführerstellung begründet.
  • Es bedarf darüber hinaus einer funktionalen wirtschaftlichen Verflechtung.
  • Ein Vorsteuerabzug scheidet auch bei irrtümlicher Einschätzung einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus, wenn keine wirtschaftliche Eingliederung besteht.
  • Ein Vertrauen in die frühere abweichende Würdigung der Finanzverwaltung begründet ohne verbindliche Zusage keinen Vertrauensschutz.
  • Der Vorsteuerabzug scheitert zudem, wenn keine tatsächliche Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt.
  • Der Leistungsempfänger muss nachweisen, dass er eine Lieferung erhalten hat, und trägt insoweit die objektive Feststellungslast.

Fazit: Eine „Nettofakturierung“ ähnelt  der „Zwischenfinanzierung“, bei der ebenfalls zivilrechtlich zwei Kaufverträge geschlossen werden, aufgrund einer Gesamtschau umsatzsteuerrechtlich aber von einer sonstigen Leistung und nicht von einer Lieferung auszugehen ist (vgl. dazu auch BFH, Urteil vom 16.06.2020 – 2 K 1119/18). 

Zum Ganzen: Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 18.03.2025, Az. 2 K 1120/21

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Im Fall der Sitzverlegung in eine inländische Gewerbesteueroase ist keine Steuerhinterziehung gegeben […] »

Sachverhalt:

Der Angeklagte verlegte den formellen Geschäftssitz einer Gesellschaft von einer Gemeinde in die andere Gemeinde innerhalb von Deutschland.

In der erst genannten Gemeinde betrug der Gewerbesteuermessbetrag 475 %, während er in der zuletzt genannten Gemeinde zwischen 250-260 % lag.

Rechtliche Ausführungen:

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Köln (Urteil vom 01.07.2024 – 106 KLs 7/23) freigesprochen.

Er wurde wegen Gewerbesteuerhinterziehung und der versuchten Gewerbesteuerhinterziehung angeklagt.

Nach Auffassung des Landgerichts Köln

  • stelle die Verlegung des Firmensitzes in eine inländische Gewerbesteueroase keine Steuerhinterziehung dar, wenn es sich bei der Firma um eine reine Gesellschaft zur privaten Vermögensverwaltung mit nur zwei Beteiligungen und eng abgrenzbarem Tätigkeitsaufwand ohne jeglichen Publikumsverkehr und operatives Geschäft handele.
  • Eine reine privat vermögensverwaltende Gesellschaft mit wenig Beteiligungen und kaum Vermögen erfülle nicht die Voraussetzung des § 42 AO und werde daher nicht zum Schein begründet.

Zu beachten ist, dass das Landgericht Köln die restriktive BFH-Rechtsprechung im vorliegenden Fall für nicht anwendbar erklärte.

Die restriktive BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl 1981 II S. 339) bedeutet, dass die Einschaltung von ausländischen Kapitalgesellschaften zum Zwecke der Steuerersparnis das erforderliche Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht erfüllt und damit strafrechtlichen Gestaltungsrechtsmissbrauch nach § 42 AO darstellt.

  • Hier ist jedoch keine ausländische Kapitalgesellschaft als Basisgesellschaft gegeben.
  • Außerdem gab es nach dem Vortrag des Angeklagten außersteuerliche, nachvollziehbare Gründe für die Sitzverlegung.
  • Darüber hinaus entfaltete die Gesellschaft in der neuen Gemeinde eine ihrem Geschäftszweck immanente wirtschaftliche Tätigkeit.

Zum Ganzen: Landgericht Köln, Urteil v. 1.7.2024 – 106 KLs 7/23.

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Gemeinsame steuerliche Außenprüfung (sog. Joint Audit) zwischen deutschen und niederländischen Betriebsprüfern […] »

Im Rahmen einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung (sogenannter Joint Audit) einigten sich die deutschen und niederländischen Prüfer auf eine Aufteilung der Besteuerungsrechte dergestalt, dass die Veräußerungsgewinne der Klägerin aus den Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in vollem Umfang der Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterliegen sollten.

Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Länge der Bauzeiten differenziert: Gewinne aus Bauprojekten von weniger als zwölf Monaten sollten ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen, während die Gewinne aus Bauprojekten von mehr als zwölf Monaten zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten. Diese Aufteilung führte bei der Klägerin zu einer Besteuerung durch Deutschland zu mehr als 90 %.

Dagegen ging die Klägerin finanzgerichtlich vor. Die Klage hatte teilweise Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 28.05.2020 – 9 K 1904/18 G). Das Finanzgericht hat die angefochtenen Bescheide dahin geändert, dass „im Rahmen der Kürzungen zusätzlich eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird“.

Die dagegen eingelegte Revision des Finanzamtes hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Der BFH führte unter anderem Folgendes aus:

  • Es ist keine Abkehr von dem gesetzlich angeordneten strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer, wenn sich die deutschen und die niederländischen Steuerverwaltungen im Rahmen der koordinierten Außenprüfung auf die Besteuerung der Veräußerungsgewinne allein durch Deutschland verständigt haben.
  • Es ist keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass den im Rahmen einer koordinierten Außenprüfung von den beteiligten Steuerverwaltungen getroffenen Feststellungen eine für den Steuerpflichtigen und die Gerichte verbindliche, gegebenenfalls gesetzesüberschreibende Wirkung zukommen könnte.
  • Das Ziel koordinierter Außenprüfungen besteht darin, während der Außenprüfung unter Beteiligung ausländischer Bediensteter zu einer einvernehmlichen Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu gelangen (Merkblatt des BMF über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete v. 9.1.2017, BStBl I 2017, 89, Tz. 1.1).
  • Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung eines auf den Ergebnissen einer koordinierten Außenprüfung (§ 12 EUAHiG – EU-Amtshilfegesetz -) basierenden Steuerbescheids kommt den Prüfungsfeststellungen keine rechtlich höherrangige Bedeutung zu als im Fall einer unilateralen Außenprüfung durch eine deutsche Behörde.

BFH, Urteil v. 5.6.2024 – I R 32/20

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Außenprüfung beim Steuerberater durch benachbartes Finanzamt […] »

Die Außenprüfung bei einem Steuerberater kann durch ein anderes als das an sich zuständige Finanzamt erfolgen, um typischerweise zu erwartende Spannungen zu vermeiden:

Dazu BFH-Urteil vom 20.10.2024 – VIII R 18/21:

Unter anderem führte der BFH aus,

  • dass Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden nach § 195 Satz 1 AO durchzuführen sind
  • Sie können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO)
  • Die beauftragte Finanzbehörde darf kraft des Auftrags anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen
  • Sie ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt
  • Der Einspruch gegen die Anordnung ist gegen die beauftragte Behörde zu richten, die auch über den Einspruch zu entscheiden hat (vgl. BFH-Urteil v. 06.08.2013 – VIII R 15/12, BFHE 242, 297, BStBl II 2014, 232, Rz. 11, m.w.N.)
  • Die Anordnung einer Auftragsprüfung ist eine Ermessensentscheidung
  • In der Prüfungsanordnung müssen die Gründe für die Übertragung der Prüfung genannt werden
  • Die Auftragsprüfung durch ein benachbartes Finanzamt wird von dem BFH als sachlich vertretbar und damit ermessensgerecht erachtet
  • Die Anordnung einer Auftragsprüfung bei einem Steuerberater kann mit der Vermeidung von typischerweise zu erwartenden Spannungen begründet werden
  • Macht der Steuerberater im Einspruchsverfahren Umstände geltend, die auf eine Zweckverfehlung im konkreten Einzelfall hindeuten, etwa weil er seine berufliche Tätigkeit schwerpunktmäßig im Bezirk des beauftragten Finanzamts entfalte, muss das Finanzamt dem nachgehen und in der Einspruchsentscheidung eine individuelle Ermessensentscheidung treffen
  • Das Finanzamt muss derartige Umstände des Einzelfalls aber nicht von Amts wegen aufklären und berücksichtigen
  • Der Vortrag des Klägers, dass er seine berufliche Tätigkeit schwerpunktmäßig im Bezirk des beauftragten Finanzamts entfalte, kann der finanzgerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden, weil er im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier Einspruchsentscheidung) dem Finanzamt nicht bekannt war
  • Umstände, die der Kläger erstmals im Klageverfahren geltend macht, können bei der rechtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt werden und
  • Die Beauftragung eines anderen Finanzamts nach § 195 Satz 2 AO verstößt weder gegen das Recht des Steuerpflichtigen auf informationelle Selbstbestimmung, noch wird sie durch das Datenschutzrecht eingeschränkt.

Praxishinweis: Wenn der Kläger seinen Vortrag bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen hätte, dass er gerade im Bezirk des beauftragten Finanzamtes schwerpunktmäßig tätig gewesen wäre, hätte seine Klage erfolgreich sein können. Denn bei der Anfechtung von Ermessensentscheidung – wie vorliegend – ist wichtig, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AO maßgeblich ist, und im finanzgerichtlichen Verfahren im Regelfall keine neuen Tatsachen vorgetragen werden (vgl. BFH-Beschluss v. 15.7.2015 – IX B 38/15, BFH/NV 2015, 1431).

Die anderen BFH-Senate sehen es mittlerweile ähnlich, dass die Annahme rechtlich vertretbar und ermessensgerecht ist, durch die Übertragung einer Prüfung auf ein benachbartes Finanzamt Reibungen zwischen dem an sich zuständigen Finanzamt und dem betreffenden Steuerberater bei der Vertretung von Steuerpflichtigen zu vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1987 – IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322, unter 4.; BFH-Beschluss vom 29.02.2012 – III B 235/11, BFH/NV 2012, 981, Rz. 12).

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Untätigkeitsklage: wenn Finanzamt trotz Einlegung des Einspruchs nach Ablauf angemessener Frist schweigt, was ist zu tun? […] »

Urteil des Finanzgerichts München vom 06.08.2024 – 12 K 254/18 zu den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage:

  • Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, eine Klage beim FG regelmäßig nur nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens über jenen Rechtsbehelf zulässig.
  • Ist aber über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist – im Regelfall 6 Monate – sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine solche „Untätigkeitsklage“ hat die Klägerin im Streitfall erhoben.
  • 46 Abs. 1 Satz 1 FGO verlangt die Mitteilung eines zureichenden Grundes für das Ausbleiben der Rechtsbehelfsentscheidung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist vor der Klageerhebung (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz.16).
  • Eine besondere Form ist für die Mitteilung des Grundes für die Verzögerung in § 46 Abs. 1 FGO nicht vorgeschrieben. Sie muss deshalb nicht notwendig schriftlich erfolgen.
  • Ein zureichender Grund kann in der Durchführung einer regulären Außenprüfung oder Steuerfahndungsprüfung liegen, wenn umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig sind, die sich sachgerecht nicht an Amtsstelle durchführen lassen, und die Prüfung zeitnah angesetzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 9. April 1968 I B 48/67, BFHE 92, 170, BStBl II 1968, 471).
  • Die angeführten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 FGO brauchen dabei erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt zu sein.
  • Die Klage kann also in die Zulässigkeit hineinwachsen (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BFH-Urteile vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 245, BStBl II 1982, 150; vom 28. September 1990 VI R 98/89, BFHE 162, 414, BStBl II 1991, 363; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315).
  • Liegt zunächst ein zureichender Grund vor, muss die Behörde sicherstellen, dass sie vom Wegfall dieses Grundes erfährt, damit sie innerhalb angemessener Frist entscheiden kann.
  • Im Übrigen muss sie das in ihrer Macht Stehende tun, den Grund zu beseitigen. Sie muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dazu beitragen, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 13. Mai 1971 V B 61/70, BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492).
  • Fällt der zureichende Grund weg, beginnt nicht etwa die Sechsmonatsfrist von Neuem zu laufen (BFH-Beschluss vom 22. September 1967 VI B 19/67, BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61), sondern es verbleibt der Behörde nur noch eine vom Einzelfall abhängige angemessene Frist, innerhalb welcher zu entscheiden ist (so auch von Beckerath in Gosch, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 140; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 167; Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 46 Rz. 20; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 18).

Zu beachten ist, dass das o.g. Urteil nicht rechtskräftig ist, da beim BFH (Az.: IR 19/24) das Verfahren anhängig ist, weil Revision eingelegt wurde.

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Einziehung ist nicht gleich Einziehung! […] »

Keine Einziehung bei versuchter Steuerhinterziehung:

Bei lediglich versuchter Steuerhinterziehung ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) nicht gerechtfertigt, wenn keine ersparten Aufwendungen erlangt wurden.

Liegt eine Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, setzt die Einziehung die Tatvollendung, namentlich den Erlass eines Schätzungsbescheids oder den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten, voraus.

Vor Eintritt des Taterfolgs kann der gegen die steuerliche Erklärungspflicht Verstoßende noch nicht frei über die Ersparnis verfügen.

Dies gilt auch bei versuchter Einziehung von Gewerbesteuern, dass bei versuchter Hinterziehung von Gewerbesteuer die Einziehung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil v. 8.3.2022 – 1 StR 360/21, BGH, Beschluss v. 6.4.2023 – 1 StR 36/23 und BGH, Beschluss v. 6.4.2023 – 1 StR 412/22; BGH, Beschluss v. 10.03.2022 – 1 StR 515/21).

Einziehung beim versuchten Insidergeschäft:

Ein Insidergeschäft liegt gemäß Art. 8 Absatz 1 Satz 1 MMVO (Marktmissbrauchsverordnung) vor, wenn jemand ein Finanzinstrument unter Nutzung einer Insiderinformation für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt erwirbt oder veräußert.

Die durch Art. 14 MMVO verbotenen Verhaltensweisen sind gemäß § 119 Abs.3 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) jeweils mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen bedroht.

Erwirbt der Täter Wertpapiere in der irrigen Annahme über Insiderinformationen zu verfügen und veräußert diese anschließend weiter, unterliegt der gesamte Erlös aus der Weiterveräußerung der Einziehung nach §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB.

Sowohl für die Bestimmung des Erlangten nach § 73 Abs. 1 StGB als auch für die Frage der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 StGB ist ohne Belang, ob es sich um einen vollendeten oder einen (untauglichen) Versuch eines Insidergeschäfts handelt.

Der Versuch eines Insidergeschäfts ist nach § 119 Abs.4 WpHG strafbar.

Denn grundsätzlich genügt für die Einziehung als Anknüpfungstat eine versuchte Tatbegehung.

Die Taten sind hier – gleich ob versucht oder vollendet – ursächlich für die Kaufentscheidung gewesen. Damit beruht der Vermögensvorteil auf der strafbewehrten Handlung dem – teilweise nur versuchten – Insiderhandel (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 25.7.2024 – 7 Ws 253/23).

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